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Sie haben Hirnforschung studiert und Ihre Dissertation zum Thema Neurokommunikation verfasst. Wie wirkt nun also Werbung auf unser Gehirn? Welche Vorgänge laufen da ab?
Auf jeden Fall wirkt Werbung anders, als man bisher glaubte. Die geheimen Verführer sind mausetot und „Kaufknöpfe“ bleiben auch mit dem 7-Tesla-Scanner unauffindbar.
Die schlechte Nachricht: Immer neue, bunte Kampagnen wirken viel weniger als manch langweilig geführte Marke.
Die gute Nachricht: Wenn man sich Mühe gibt, dann kann man mit viel Kreativität zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit erreichen.

Was bedeuten Ihre Erkenntnisse für Werber?
Sie haben endlich die Erklärung dafür, warum sie mehr und mehr an Einfluss verlieren …

Tun sie das?
Ja! Meiner Ansicht nach ist das unaufhaltbar.

Wie funktioniert das von Ihnen entwickelte CASEModell?
Die Pointe ist eigentlich ganz einfach: Neuronale Netzwerke unterscheiden sich diametral, was bewusste, explizite Verarbeitung einerseits und unbewusste, implizite Verarbeitung andererseits betrifft.
Noch einfacher gesagt: „Verkaufen“ braucht die Hirnrinde, den sogenannten Kortex, und Bewusstsein. „Markieren“ geht besser unbewusst über das Mittelhirn. Aber Achtung: Viel mehr als Name und Corporate Design der Marke kann man dort nicht abspeichern. Deswegen ist so etwas wie „unterschwellige Werbung“ ein Widerspruch in sich.

Alles was tatsächlich Bilder im Kopf entstehen lässt, ist hilfreich.
Das Zischen einer Bierflasche, das Röhren eines Porsche.

Was bedeuten diese Studien speziell für das Radio?
Das Radio ist das Medium, das am ehesten implizit wirken kann. Das bedeutet, ich merke es nicht. Im Vergleich dazu denke ich über alles, was ich visuell bewusst wahrnehme, wahrscheinlich auch nach.

Wenn ich weiß, welche Vorgänge sich im menschlichen Gehirn vollziehen, wenn man „hört“ – wie kann ich das in der Radiowerbung für mich nutzen?
Alles was tatsächlich Bilder im Kopf entstehen lässt, ist hilfreich. Das Zischen einer Bierflasche, das Röhren eines Porsche. Die üblichen witzigen Kurzgeschichten sind dagegen relativ hilflos. Aber wer kennt das nicht? Wenn ich das Bier zischen höre, dann befinde ich mich geistig schon im Gastgarten oder auf der Couch vor dem Fernseher. Beim Röhren eines Porsche sehen sich wahrscheinlich hauptsächlich Männer mit 180 Sachen durch die Gegend flitzen. Für diese Bilder im Kopf gibt es sehr viele Beispiele.

Wann ist das menschliche Gehirn am aufnahmefähigsten?
Hier deckt sich die Weisheit der Hirnforscher mit der Intuition der Mediaplaner. Denn die morgendliche Rushhour ist gleichzeitig unsere neuronale Prime Time. Die abendliche Rushhour bräuchte allerdings aus zirkadianischen Gründen komplett andere Spots. Abends sind unsere Gehirne nämlich in einem „Entspannungsmodus“. Man kann sie mit aggressiven Kaufsignalen kaum mehr erreichen, wohl aber mit weichen Markensignalen.

Radio hört man zumeist nur im Auto. Hat das Konsequenzen für die Aufnahmefähigkeit von Radiowerbung? Ist gerade das beiläufige Zuhören wirkungsvoll?
Ja – beim „Markieren“. Nein – beim „Verkaufen“. Deshalb kann man die „0%-Finanzierung“ oder den „Schlussverkauf“ auch eigentlich nur morgens bewerben.

Haben Radiospots, die ich beim Einkaufen höre, noch Einfluss auf mein Kaufverhalten?
Aber natürlich. Und zwar genau dann, wenn sie ein direktes Abverkaufsziel verfolgen. Und einen beinharten Vorteil kommunizieren, der den Kunden für die „Belästigung“ entschädigt.

Werbung ist doch einfach nur die Ausrede für unsinnige Einkäufe

Kann man sich vor dem Einfluss der Werbung „schützen“?
Ach Gott, man muss sich doch gar nicht schützen!
Wenn Werbung Ihnen etwas „verkaufen“ will, geht das nur über Ihr Bewusstsein. Wenn sie an Ihr Unbewusstes will, kann sie kaum mehr erreichen, als Ihnen die chaotische Überfülle an Marken netterweise etwas vor zu sortieren. Um es kurz zu machen: Die einzige Gefahr, die von Werbung ausgeht ist, dass sie uns als Ausrede für unsinnige Einkäufe dienen kann …

Wie unterscheiden sich die Medien in ihrer Wirkungsweise untereinander, was sind die Vorzüge der einzelnen Medien?
Um auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, kann ich nur allen raten mein Buch zu lesen.

Wir werden es uns zu Herzen nehmen. Aber eine Frage haben wir doch noch: Warum wird ein Werber plötzlich Gehirnforscher?
Mir war schlicht und einfach fad.

Kai Fehse gilt seit seinen berühmten Slogans für Mediamarkt als „Vater aller Schnäppchen“. Inzwischen hat er sich aus der Werbebranche zurückgezogen, um Gehirnforschung zu studieren. 2009 erschien sein Buch „Neurokommunikation – Ein Modell zur Wirkweise von Werbung im Lichte neuester Erkenntnisse der Hirnforschung“.